Verantwortungsvolles Verhalten lernen

Liebe Eltern,

die Entwicklung von Jugendlichen bringt viele neue Erfahrungen und Herausforderungen mit sich. Gerade der Umgang mit Beziehungen, persönlichen Grenzen und die zunehmende Selbstständigkeit sind wichtige Themen in dieser Lebensphase.

Ihr Kind nimmt am 3VK-Programm (Verantwortungsvolles Verhalten gegenüber Kindern) teil. In diesem Präventionsprogramm lernen Jugendliche, wie sie respektvoll mit sich selbst und anderen umgehen können. Dabei geht es um zentrale Fähigkeiten wie:

  • Das Erkennen und Kommunizieren eigener Grenzen
  • Den angemessenen Umgang mit persönlichen Beziehungen
  • Verantwortungsvolles Verhalten im Internet und sozialen Medien
  • Das Erkennen von problematischen Situationen
  • Wege, sich Hilfe und Unterstützung zu holen

Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über die Inhalte des Programms sowie weiterführende Materialien und Anlaufstellen. Als Eltern können Sie Ihr Kind unterstützen, indem Sie für Gespräche offen sind und signalisieren, dass Sie als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

Das Programm im Überblick

Sitzung 1: Erwachsene Vertrauenspersonen

  • Identifikation von Vertrauenspersonen
  • Bedeutung des “Bauchgefühls”
  • Erkennen und Kommunizieren eigener Grenzen

Sitzung 2: Verantwortungsvolles Verhalten

  • Verstehen von Grenzen in verschiedenen Beziehungen

  • Bedeutung von Zustimmung (Konsens)
  • Erkennen gesunder Beziehungsmuster

Sitzung 3: Konsens und Grenzen

  • Alters- und entwicklungsangemessenes Verhalten
  • Schutz vor Übergriffen
  • Rechtliche Rahmenbedingungen

Sitzung 4: Verantwortungsvolles Verhalten online

  • Sicherheit in sozialen Medien
  • Umgang mit problematischen Situationen online
  • Prävention von Cybergrooming

Sitzung 5: Prävention und Hilfe

  • Handlungsstrategien in Risikosituationen

  • Unterstützungsmöglichkeiten für andere
  • Wiederholung der wichtigsten Konzepte

Antworten auf häufig gestellte Fragen

Sexuelle Grenzverletzungen unter Jugendlichen sind leider ein weit verbreitetes, aber oft tabuisiertes Thema. Diese beginnen häufig mit scheinbar kleinen, aber dennoch problematischen Vorfällen: Ein Nacktfoto im Klassenchat, Witze über den Körper anderer, ein Griff an den Po im Vorbeigehen oder ein Kuss auf der ersten Party, der im Nachhinein vielleicht doch nicht beidseitig gewollt war. Solche Handlungen sind die ersten Schritte in Richtung sexueller Grenzverletzungen und entstehen oft durch Unwissenheit, soziale Normen oder mangelnde Reflexion über das eigene Verhalten.

Laut aktuellen Studien erfahren viele Jugendliche in ihrer Entwicklung, insbesondere im Jugendalter, solche Grenzverletzungen – sowohl in der Rolle von jemandem, der die Grenze überschreitet, als auch in der Rolle von jemandem, dessen Grenze überschritten wurde. Diese Vorfälle müssen nicht immer in schwerwiegende Übergriffe münden, aber sie sind ein Warnzeichen für die Notwendigkeit, den Umgang mit Grenzen und Respekt in Beziehungen frühzeitig zu thematisieren.

3VK („Verantwortungsvolles Verhalten gegenüber Kindern“) setzt genau hier an: Es ist ein präventives Programm, das Jugendlichen in den Klassen 6 und 7 dabei unterstützt, ein Verständnis für respektvolle Beziehungen und das Einhalten von persönlichen Grenzen zu entwickeln. Ziel des Programms ist es, junge Menschen zu befähigen, sich ihrer eigenen Verantwortung in sozialen Interaktionen bewusst zu werden. Die Wirksamkeit dieses Ansatzes wurde in verschiedenen Studien, unter anderem in den USA, bereits nachgewiesen.

Das Programm und seine Inhalte werden altersgerecht und sensibel vermittelt. Dabei geht es nicht primär um Sexualität, sondern um grundlegende zwischenmenschliche Werte und Verhaltensweisen, die den Jugendlichen helfen sollen, eigene Grenzen und die Grenzen anderer zu erkennen und zu respektieren.

Es geht um Themen wie:

  • Verantwortungsvolles Verhalten gegenüber anderen Jugendlichen und jüngeren Kindern
  • Rücksichtnahme auf persönliche Grenzen und Einverständnis (Konsens)
  • Die Bedeutung von erwachsenen Vertrauenspersonen
  • Entwicklungsunterschiede zwischen Jugendlichen und jüngeren Kindern
  • Wie man Hilfe und Unterstützung leisten kann
  • Verantwortungsvoller Umgang mit Social Media

Das Programm wird von den regulären Lehrkräften oder der Schulsozialarbeit an der Schule Ihres Kindes durchgeführt, die dafür speziell geschult wurden. Diese Fachkräfte nehmen hierzu vorab an einer Weiterbildung teil, die von qualifizierten Psychologinnen geleitet wird. Sie lernen nicht nur die Programminhalte kennen, sondern werden auch speziell für den sensiblen Umgang mit den im Programm enthaltenen Themen und möglichen emotionalen Reaktionen der Schülerinnen und Schüler geschult.

Das Programm ist darauf ausgelegt, Jugendlichen zu helfen, ihre eigenen Grenzen zu erkennen und respektvoll mit den Grenzen anderer umzugehen. Es behandelt dabei nicht direkt traumatische Themen wie sexuellen Missbrauch, sondern fördert allgemein das Verständnis für gesunde, respektvolle Beziehungen. Die durchführenden Lehrkräfte und Schulsozialarbeitenden  wurden in der Weiterbildung vorab für mögliche emotionale Reaktionen der Schülerschaft sensibilisiert. Zu Beginn des Programms wird den Jugendlichen nochmals verdeutlicht, dass die Teilnahme freiwillig ist und dass niemand persönliche Erlebnisse teilen muss. Falls Ihr Kind während des Programms emotionale Belastung verspürt, steht an der Schule zu jedem Zeitpunkt ein Unterstützungssystem zur Verfügung. Außerdem kann Ihr Kind jederzeit ohne Nachteile die Teilnahme unterbrechen oder beenden.
Ihr Kind profitiert in vielerlei Hinsicht von der Teilnahme:

  • Es entwickelt ein besseres allgemeines Verständnis für gesunde, respektvolle zwischenmenschliche Beziehungen
  • Es lernt, rücksichtsvoll mit Gleichaltrigen und jüngeren Kindern umzugehen
  • Es lernt, eigene und fremde Grenzen zu erkennen und zu respektieren
  • Es entwickelt Strategien, um verantwortungsvoll mit schwierigen Situationen umzugehen
  • Es erfährt, wo und wie es Hilfe bekommen kann, wenn es diese benötigt
  • Es wird in seiner Sozialkompetenz gestärkt

Diese Fähigkeiten sind nicht nur zum Schutz vor Grenzverletzungen wichtig, sondern fördern auch die soziale und emotionale Entwicklung Ihres Kindes.

Im Allgemeinen dient die Zusammenarbeit mit der Johns-Hopkins-Universität der wissenschaftlichen Begleitung und der Überprüfung der Wirksamkeit. Das Originalprogramm wurde dort entwickelt und in den USA bereits erfolgreich evaluiert. Für Deutschland wird das Programm im Rahmen dieser Studie kulturell angepasst und auf seine Wirksamkeit hin überprüft.

Wir und unsere Partner an der Johns-Hopkins-Universität halten höchste ethische Standards ein und befolgen strikt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union. Hierzu haben wir weitreichende und sichere Maßnahmen getroffen, die von einer unabhängigen Ethikkommission überprüft wurden:

  • Es werden alle EU-Standardvertragsklauseln gemäß Datenschutzgrundverordnung eingehalten (DSGVO)
  • Ihr Kind erstellt selbst einen pseudonymen Code, der keine Rückschlüsse auf die eigene Identität zulässt
  • Alle Daten Ihres Kindes werden streng pseudonymisiert (ohne Namen) vom Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin erhoben
  • Die Datenübermittlung an die Johns-Hopkins-Universität erfolgt ausschließlich in anonymisierter Form
  • Der Zugriff auf Daten ist streng auf die Studienmitarbeitende der Charité und der Johns-Hopkins-Universität limitiert und erfolgt nur für Forschungszwecke

Sie und Ihr Kind können jederzeit Auskunft über die erhobenen Daten erhalten und deren Löschung verlangen. Ihre Einwilligung können Sie jederzeit widerrufen.

Für diesen Fall gibt es klar definierte Handlungsabläufe. Die durchführenden Fachkräfte sind im angemessenen Umgang mit solchen Situationen geschult. Bei Hinweisen auf eine Kindeswohlgefährdung werden gemäß den gesetzlichen Vorgaben die notwendigen Schritte eingeleitet, stets in enger Absprache mit der Schulleitung und den schulischen Kinderschutzbeauftragten. Dabei wird großer Wert darauf gelegt, die Eltern frühzeitig einzubeziehen, es sei denn, es gibt stichhaltige Anhaltspunkte, die dagegen sprechen. Alle Maßnahmen erfolgen unter strenger Wahrung der Vertraulichkeit und mit dem primären Ziel, das Wohl des Kindes zu schützen. Das Programm kann in diesem Sinne auch als “Türöffner” dienen, damit Kinder, die Hilfe benötigen, diese auch erhalten.

Eltern und Erziehungsberechtigte sind wichtige Partner bei der Umsetzung des Programms. Sie werden vor Beginn umfassend über die Inhalte und Ziele informiert. Während der Umsetzung gibt es Aufgaben, die die Kinder mit erwachsenen Vertrauenspersonen ihrer Wahl besprechen sollen. Im Rahmen dieser Aufgaben werden ausgewählte Videos des Programms gemeinsam geschaut und dazu Reflexionsfragen beantwortet. Dies verfolgt das Ziel, dass Kinder Gespräche mit Vertrauenspersonen üben. Zudem wird das Umfeld des Kindes so für die Themen des Programms sensibilisiert. Wenn Ihr Kind also bezüglich dieser Aufgaben auf Sie zukommt, ist das ein großer Vertrauensbeweis. Sie können es unterstützen, in dem Sie sich Zeit für die Bearbeitung der Aufgaben nehmen und in den Austausch mit Ihrem Kind kommen. Auch nach Abschluss des Programms können Sie mit Ihrem Kind über die behandelten Themen sprechen und die erlernten Inhalte im Familienalltag vertiefen. Auf Wunsch erhalten Sie Materialien mit Anregungen für Gespräche zu Hause. Ihre Rückmeldungen zum Programm sind für uns wertvoll – beachten Sie hierfür den „Rückmeldung geben“-Button (rechts unten) auf dieser Seite.

Die Teilnahme am Programm ist freiwillig und erfolgt erst nach Ihrer Einwilligung als Erziehungsberechtigte. Wenn Sie oder Ihr Kind nicht teilnehmen möchten, entstehen für Sie keinerlei Nachteile. In diesem Fall wird für Ihr Kind während der Programmzeiten eine alternative Betreuung sichergestellt. Wir bitten Sie jedoch zu bedenken, dass das Programm wichtige soziale Kompetenzen vermittelt, von denen Ihr Kind profitieren kann. Wenn Sie Bedenken haben, sprechen Sie uns gerne an, vielleicht können wir Ihre Sorgen ausräumen!

Das Originalprogramm “Responsible Behavior with Younger Children” wurde in den USA bereits wissenschaftlich evaluiert. Die Ergebnisse sind sehr vielversprechend: Teilnehmende Schülerinnen und Schüler hatten nach dem Programm ein mehr Wissen über rücksichtsvolles Verhalten und eine gesteigerte Bereitschaft, sexuelle Grenzverletzungen zu vermeiden. Das Programm wurde von Lehrkräften und Eltern positiv aufgenommen. Die deutsche Adaption wird durch die Charité Berlin wissenschaftlich begleitet, um sicherzustellen, dass auch hier positive Effekte erzielt werden. Die bisherigen Erfahrungen mit ähnlichen Präventionsprogrammen in Deutschland sind ermutigend, und wir erwarten, dass 3VK einen wichtigen Beitrag zum Wohlbefinden und zur gesunden Entwicklung der teilnehmenden Jugendlichen leisten wird.